Stuttgart 21

Mittwoch, 20.11.2024

Betongestaltung am Bahnhof

Das frei geschwungene Schalendach der neuen unterirdischen Gleishalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs nähert sich der Fertigstellung: Momentan werden die Betonflächen nachbearbeitet, um die Eleganz der fließenden Formen zu betonen.

Der künftige Hauptbahnhof von Stuttgart bildet das Herzstück des Großprojekts Stuttgart 21. Ein tiefliegender Durchgangsbahnhof mit acht Gleisen wird den bisherigen 16-gleisigen Kopfbahnhof ersetzen. Dadurch können großflächig oberirdische Bahnanlagen aufgegeben werden, um Platz für einen kompletten neuen Stadtteil zu schaffen.

Zentrales Element des Bahnhofsentwurfs ist das begehbare Dach der unterirdischen Gleishalle, das zur Hälfte als städtischer Platz und zur anderen Hälfte als begrünter Teil des Stuttgarter Schlossgartens dient. Getragen wird das Schalendach von 28 Kelchstützen aus weiß eingefärbtem Sichtbeton. Ihre frei fließenden, organischen Formen verleihen dem unterirdischen Raum eine ganz eigene Atmosphäre. Die Kelchstützen öffnen sich nach oben zu so genannten Lichtaugen, die Helligkeit in die Halle bringen. Sie verbindet Ingenieurskunst und Ästhetik. Das 450 Meter lange und 80 Meter breite komplexe Gebilde besteht aus frei gekrümmten Flächen, die dem exakten Verlauf der statischen Kräfte folgen. Dabei ist die Konstruktion sehr materialsparend: In der Mitte zwischen den Kelchstützen kommt die Betonschale mit einer Dicke von nur 40 Zentimetern aus - bei einer Spannweite von rund 35 Metern.

Wie bei Beton üblich, zeigten die Flächen nach dem Ausschalen noch nicht jene Perfektion, die später den Raumeindruck prägen soll. An manchen Stellen waren die Schaltafeln leicht gegeneinander verrutscht, so dass die Betonflächen Vor- und Rücksprünge von einigen Millimetern aufwiesen. Teils war der Beton matt, teils leicht glänzend, teils zeigte er unterschiedliche Verfärbungen. Außerdem zeigte er Spuren des Bauprozesses. Technisch nicht zu vermeiden, aber gestalterisch unerwünscht waren die Ankerlöcher und einige der Fugen, die den eleganten Schwung der Kelchstützen optisch störten. Daher war klar, dass die Oberflächen nachgebessert werden mussten. An einer Musterstütze testete man die Betonretusche. Nach etwa zehn Überarbeitungsversuchen war schließlich das gewünschte Erscheinungsbild erreicht.

Für die anschließende Gestaltung der Betonflächen wurde das Unternehmen beconart beauftragt, auf dessen Vorschlag die mineralische Produktpalette von KEIM zum Einsatz kam. Zunächst wurden die Unebenheiten egalisiert. Die Ankerlöcher in den Decken wurden geschlossen, indem Verschlusskonen eingeschraubt und verklebt wurden. Für die großen Flächen war eine Farbanpassung vorgesehen, die gegensätzliche Anforderungen zu erfüllen hatte: Einerseits sollten die unterschiedlichen Töne der einzelnen Bereiche einander angeglichen werden, andererseits durfte der Beton nicht unter einer deckenden Farbschicht verschwinden, sondern sollte seinen steinernen Charakter behalten.

Insgesamt wurden auf diese Weise rund 60.000 Quadratmeter Sichtbeton und knapp 100 Kilometer Fugen nachgebessert. Beconart-Geschäftsführer Martin Berger erläutert: „Unter der Decke mussten wir großflächig über Kopf arbeiten. Dafür waren diverse Arbeitsbühnen nötig, um auf Höhen von bis zu 15 Metern zu gelangen. Im Schnitt waren wir drei Jahre lang mit 12 bis 15 Personen vor Ort, um den Sichtbeton zu veredeln. Während wir an einem Ende der Baustelle schon die ersten ausgeschalten Kelchstützen überarbeitet haben, wurden am anderen Ende immer noch neue Kelchstützen gegossen.“ Durch das parallele Arbeiten liegt zumindest dieses Gewerk gut in der Zeit. Wenn nichts mehr dazwischenkommt, ist man im Herbst 2024, einige Monate früher als geplant, mit den Oberflächen fertig.

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