Was bleibt, wenn wir weiterbauen?

Mittwoch, 09.04.2025

Die Ausstellung „Was war werden könnte“ im S AM Basel hinterfragt den Umgang mit Bestand, Denkmal und Zukunft

Der Abriss verliert an Autorität. Ressourcenknappheit, Klimawandel und eine überstrapazierte Bauindustrie fordern ein Umdenken, das sich längst auch auf gestalterischer Ebene niederschlägt. Was früher als abgeschlossen galt, wird wieder geöffnet. Was erhalten blieb, wird zur Grundlage einer neuen architektonischen Haltung.

Zwischen dem 5. April und 14. September 2025 zeigt das Schweizerische Architekturmuseum in Basel eine Ausstellung über das Weiterbauen als Praxis – nicht als Stil. „Was war werden könnte“ versteht sich als Beitrag zur Neubewertung von Denkmalpflege und Bestandsarchitektur. In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich entsteht ein kuratorisches Feld, in dem Erhalt, Transformation und Entwurf aufeinandertreffen.

Bestand als Ausgangspunkt

Die Ausstellung setzt beim Bestand als Ressource an. Es geht nicht um museale Erhaltung, es geht vielmehr um das architektonische Potenzial des Vorgefundenen. Das verlangt nach Präzision in der Analyse, nach Materialkenntnis und historischen Lesbarkeiten. Zugleich eröffnet es Räume für gestalterische Interventionen – kleinmaßstäblich oder strukturell, zurückhaltend oder bewusst kontrastierend.

Zu sehen sind Arbeiten von Studierenden der ETH Zürich, die sich an realen Objekten mit Fragen des Weiterbauens, der Umnutzung und des Eingriffs auseinandergesetzt haben. Die Beispiele reichen von subtilen Überlagerungen bis zu konzeptionellen Neudeutungen, vom Schulbau bis zum städtischen Kulturbau.

Ein Schwerpunkt gilt dem Umbau des Zürcher Kongresshauses. Das Projekt der ARGE Boesch Diener operiert zwischen technischer Sorgfalt und gestalterischer Selbstständigkeit. Was überformt war, wurde lesbar gemacht. Was verblasst war, wieder sichtbar. Das Ergebnis ist kein Rückbau, sondern ein präziser Dialog mit der Bausubstanz.

Denkmal als Denkraum

Ein Rückblick auf das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 bietet historische Orientierung und rahmt die Ausstellung thematisch. Im Kontrast dazu steht der Ausblick: Wie wird Denkmalpflege im Jahr 2075 aussehen? Welche Bauwerke gelten dann als bewahrenswert? Und welche Kategorien – jenseits von Alter, Stil oder prominenter Urheberschaft – werden den Ausschlag geben?

Die Ausstellung verzichtet bewusst auf lineare Narration. Stattdessen entstehen Bezüge zwischen Räumen, Arbeiten und Themen. Interaktive Formate, darunter ein Audioguide und Diskussionsveranstaltungen, öffnen zusätzliche Perspektiven. Mit der „Denk-Mal-Bar“ wird zudem ein diskursiver Ort geschaffen, an dem Vermittlung und Debatte aufeinandertreffen.

Vermittlung als Gestaltung

Die Ausstellung richtet sich explizit auch an Bildungseinrichtungen. Schulklassen und Hochschulgruppen sind eingeladen, Denkmalpflege als Teil einer aktiven Baukultur kennenzulernen – nicht als rückwärtsgewandte Disziplin, sondern als Ausgangspunkt für zukünftiges Handeln. Vermittlung wird dabei weniger als pädagogischer Zusatz gedacht, eher als integraler Teil des kuratorischen Konzepts.

Was war werden könnte entwirft kein Manifest, sondern ein Möglichkeitsfeld. Die Ausstellung versteht Architektur als Prozess zwischen Vergangenheit und Entwurf, zwischen Handwerk und Haltung. Und sie macht deutlich: Zukunftsfähiges Bauen beginnt nicht mit dem ersten Spatenstich, sondern mit dem ersten Blick auf das, was schon da ist.

Ausstellung in Kürze

Titel: Was war werden könnte: Experimente zwischen Denkmalpflege und Architektur

Ort: S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Steinenberg 7, CH-4051 Basel

Zeitraum: 5. April bis 14. September 2025

Website: www.sam-basel.org

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