Architektur im Wandel: Das Spurwerk Bremen verbindet Stadtgeschichte mit Zukunftsperspektiven
Mittwoch, 14.05.2025
Neubauensemble als Schnittstelle zwischen Tradition, Materialität und nachhaltigem Fortschritt

Im Bremer Stadtteil Neustadt entsteht auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs ein neues Quartier, das alte Industriegeschichte mit den Anforderungen an zeitgemäßen Städtebau zusammenführt. Den Auftakt bildet das sechsgeschossige Gebäudeensemble „Spurwerk“ entlang der Carl-Francke-Straße. Als Bindeglied zwischen den Stadtteilen Neustadt und Woltmershausen übernimmt das Projekt eine Schlüsselfunktion im lokalen Transformationsprozess. Besonders prägend: die Fassadengestaltung, die als architektonisches Ausdrucksmittel sowohl strukturelle als auch konzeptionelle Bezüge zwischen Vergangenheit und Zukunft herstellt.
Stadträumliche Präsenz durch architektonische Staffelung
Das von Westphal Architekten geplante Gebäude zeichnet sich durch eine klare Raumkante entlang der Straße aus. Die durchgängige Bebauung erzeugt Orientierung und schafft eine erkennbare Adresse im Quartier. Die Fassadengestaltung nimmt das Prinzip der architektonischen Staffelung auf und übersetzt es in eine eigenständige Formensprache. Damit wird ein zentrales gestalterisches Anliegen sichtbar: der Übergang zwischen verschiedenen Maßstäben, Funktionen und Zeitschichten.
Materialität mit Bezug zur Standortgeschichte
Die Fassadenstruktur des Spurwerks verbindet zwei unterschiedliche Materialien, die jeweils spezifische Bedeutungen transportieren. Eine dynamisch gegliederte Fläche aus Glasfaserbeton trifft auf eine traditionelle Ziegelwand, welche subtil an die industrielle Vergangenheit des Geländes erinnert. Die dreidimensionale Struktur der Glasfaserbetonformteile erzeugt Tiefe und verstärkt die Wirkung von Licht und Schatten auf der Oberfläche. Gleichzeitig verleiht die vertikale Gliederung dem Gebäude Rhythmus und eine eindeutige Identität im Stadtraum.
Zugänglichkeit und Offenheit im Erdgeschoss
Ein zentrales Anliegen des Entwurfs war es, das Areal nicht als abgeschlossenen Block, sondern als durchlässiges Stadtstück zu entwickeln. Die offene Gestaltung der Erdgeschosszone trägt diesem Anspruch Rechnung. Durch gezielte Transparenz und durchlässige Strukturen entsteht eine architektonische Verbindung zum öffentlichen Raum, die Bewegungen der Passantinnen und Passanten aufnimmt und weiterführt.
Formteile aus Glasfaserbeton: Technische Lösungen für komplexe Geometrien
Für die Fassadenelemente kamen 680 m² dreidimensional geformte Formparts aus Glasfaserbeton der Firma Rieder zum Einsatz. Die besondere Pfeilform der vertikalen Elemente verstärkt die Dynamik der Baukörpergliederung. Um die anspruchsvolle Geometrie mit einer verdeckten Montage umsetzen zu können, entwickelte Rieder eine speziell angepasste Unterkonstruktion, die ohne zusätzliche Sicherungs- und Justierschrauben auskommt. Die Einhängung wurde so optimiert, dass eine standardisierte Lösung verwendet werden konnte, obwohl die Bauteile eine nach vorn geneigte Flügelstruktur aufwiesen und rückseitig nicht zugänglich waren.
Digitale Planung und maßgeschneiderte Ausführung
Die technische Umsetzung erfolgte vollständig in 3D – von der Detailplanung bis zu den Montageanleitungen. Die großformatigen Bauteile mit Flügelbreiten bis zu 2.500 mm stellten dabei logistische und konstruktive Herausforderungen dar. Auch für den Transport mussten individuelle Lösungen entwickelt werden. Entscheidend für die Architekten war neben dem geringen Gewicht vor allem die hohe Oberflächenqualität der eingesetzten Elemente – eine Anforderung, die alternative Betonelemente im Projektverlauf nicht erfüllen konnten.
Ressourcenschonung als integraler Bestandteil
Neben gestalterischen Kriterien standen bei der Materialwahl auch ökologische Aspekte im Vordergrund. Das Projekt wurde mit dem DGNB-Zertifikat in Gold ausgezeichnet. Rieder setzt bei der Herstellung seiner Fassadenlösungen auf langlebige, reparaturfähige und ressourceneffiziente Komponenten. Die dünnwandigen Formparts aus Glasfaserbeton minimieren den Materialeinsatz und verlängern durch ihre Widerstandsfähigkeit den Lebenszyklus der Gebäudehülle – ein Beitrag zu nachhaltigem Bauen im urbanen Kontext.