Fassadentechnik im Zeichen des Wandels

Dienstag, 17.12.2024

30 Jahre VFT-Jahresseminar

Bereits zum 30. Mal lud der VFT – Verband für Fassadentechnik e. V. Ende November 2024 zum Jahresseminar ein. Die Jubiläums-Veranstaltung stand ganz im Zeichen des Wandels. Einerseits ging es unter dem Motto „Quo Vadis Fassadentechnik?" um die aktuellen Herausforderungen und die zukunftsgerechte Aufstellung der Branche. Darüber hinaus stand auch die Staffelübergabe im Vorstand des Verbands auf dem Programm.

Neuer Vorstand und verdiente Ehrenmitglieder

Zu Beginn des Seminars blickte der auf der Mitgliederversammlung am Vortag neu gewählte 1. Vorsitzende Markus Schultz kurz auf die Verbandsgeschichte seit der Gründung 1992 zurück und dankte dabei vor allem seinem Vorgänger Hugo Philipp und dem bisherigen Schriftführer Dirk Risse für ihr jahrzehntelanges und prägendes Engagement im Vorstand des VFT – beide wurden verdientermaßen zu Ehrenmitgliedern ernannt. Zudem nannte Markus Schultz auch eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben des Verbands: „Wir müssen weiterhin Präsenz zeigen und den VFT und unsere Leistungen in der Branche bekannt machen.“ Außerdem unterstrich der neue 1. Vorsitzende, wie wichtig dem VFT die Weiterbildung und Nachwuchsförderung in der Branche ist – auch diesmal konnte der Verband 22 Studierende der DHBW Mosbach beim Seminar begrüßen. Nicht zuletzt dankte Markus Schultz den Sponsoren der Veranstaltung für ihr Engagement.

Kreislaufwirtschaft bei Fassaden

Zum Start des Fachprogramms erwartete die Teilnehmenden ein Vortragsblock zum topaktuellen Thema „Zirkularität". Zunächst berichtete Luise von Zimmermann (Concular GmbH) unter dem Titel „Kreise statt Krise" über die enormen Potenziale des „Urban Mining" beim ressourcen- und CO2-sparenden Bauen. Um dies zu erreichen, habe Concular ein digitales Wirtschaftssystem für zirkuläres Bauen entwickelt und setzt dabei auf drei wesentliche Bausteine: Zunächst geht es um die Erfassung und Digitalisierung des Bestands inklusive der Materialerfassung. Im Anschluss folgt die Bilanzierung. Diese beinhaltet unter anderem auch einen Kostenvergleich zwischen konventionellem Abbruch und kreislaufkonformem Abbau. Im Rahmen der folgenden Optimierung werden gemeinsam mit Partnern relevante Bauteile recycelt. Luise von Zimmermann: „Wir brauchen Bestandsaufnahmen bestehender Gebäude, um zu wissen, was wo verbaut ist und wie wir diese Ressourcen zukünftig wieder nutzen können. Urban Mining ist der Schlüssel, um Materialkreisläufe schließen."

Im Anschluss referierten Annalena Stetter und Henri Beranek (Josef Gartner GmbH) über die „Zirkuläre Fassade". Nach einem Einblick in die Nachhaltigkeitsstrategie bei Gartner bzw. Permasteelisa berichteten die Referierenden über die gelungene Revitalisierung des Commerzbank-Tower in Düsseldorf. Das Bestandsgebäude aus den 1960er Jahren wurde nach jahrelangem Leerstand saniert und in ein modernes Hotel umgenutzt. Dazu veranschaulichten die beiden Referierenden die einzelnen Schritte von der Bestandaufnahme über die Demontage bis hin zur Ertüchtigung und Modernisierung der denkmalgeschützten Fassade.

Recht und Haftung: Wiederverwertung im Fokus

Aus rechtlicher Sicht beleuchtete Dr. Markus Cosler (Delhoid Soiron Hammer Rechtsanwälte) das zirkuläre Bauen in seinem Vortrag „Wiederverwertung und anerkannte Regeln der Technik“. Für die Wiederwertung von Bauteilen in Gebäuden gelte: Schriftlich Bedenken anmelden („Bedenkenzeige“) und darauf hinweisen, dass es sich um ein „neues“ Themenfeld handelt und dieses daher nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Dem Bauherrn müsse die „Tragweite“ der Entscheidung bewusst sein.

Aus der Perspektive der Versicherungswirtschaft gingen Linus Heitmann und Magnus Prütt (HVV Heitmann GmbH) auf das Thema ein und unterstrichen dabei die Wichtigkeit der Absicherung bei Abweichungen von der Norm. „Haftung ist nicht gleich Deckung“, so ihr Fazit. Sie plädierten für saubere schriftliche Hinweise an Bauherren, um den Versicherungsschutz zu gewährleisten.

Podiumsdiskussion zur Kreislaufwirtschaft

Zum Abschluss des Themenblocks stand eine Podiumsdiskussion mit den Referierenden sowie Thomas Lauritzen (Vorstandsvorsitzender A/U/F) und Marcel Bartsch (Director Business Development WICONA) an. Im Fokus standen dabei zentrale Fragen rund um die Wiederverwertung von Bauteilen und die Etablierung einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft. Angesprochen wurde unter anderem, wie wichtig es ist, dass Materialien im europäischen Kreislauf verbleiben und nicht zum Beispiel nach Asien exportiert werden. Ein weiteres Thema war die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in Ausschreibungen – etwa durch die Einführung eines „CO₂-Schattenpreises“. Thomas Lauritzen unterstrich abschließend die Bedeutung eines proaktiven Ansatzes: „Kreislaufwirtschaft muss Tagesgeschäft werden. Warten Sie nicht, bis der Bauherr das Thema nachfragt. Mischen Sie sich ein und bieten Sie nachhaltige Lösungen aktiv an.“

Wie die Fassadenbranche vom Fußball lernen kann

Einen ganz anderen Blickwinkel brachte im Anschluss Lutz Wagner in die Veranstaltung ein. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter und jetzige Regelexperte des DFB sprach in zwei Halbzeiten über das richtige Entscheiden in Stresssituationen und zog dabei anschauliche Parallelen zwischen Führungskräften in der Fassadenbranche und Schiedsrichter*innen. Vertrauen, Ehrlichkeit, Schnelligkeit, Entscheidungen treffen: Das seien wichtige Skills, auf die es im Sport und im Beruf gleichermaßen ankomme.

Technologien und Nachwuchsförderung

Am zweiten Tag begann Prof. Dr.-Ing. Mascha Baitinger (Contura Ingenieure GmbH) mit dem Vortrag „Reduce, Re-Use, Refurbish“. Sie hob die enormen Potenziale der Wiederverwertung von Flachglas hervor, wies aber auch auf große Hürden wie die sortenreine Trennung und fehlende Normen hin. Mit Blick auf Vakuumisolierglas (VIG) zeigte sie die Vorteile für den Einsatz in Bestandssanierungen auf: geringer Materialaufwand, einfache Trennung und hohes Potenzial vor allem in der Kombination mit Verbundsicherheitsglas (VSG).

Daniela Lorenczat und Oliver Niemann (Laserscanning Europe GmbH) brachten den Anwesenden das 3D-Laserscanning näher. Dabei zeigten die Referierenden anhand einer Live-Vorführung sowie praktischer Anwendungsfälle, welche Vorteile diese digitale Methode vom Aufmaß über die Aufbereitung der Daten bis zur Absteckung auf der Baustelle hat.

Sophie Stern (Schüco International) widmete sich dem hochaktuellen Thema der Mitarbeitergewinnung in der Metallbau- bzw. Fassadenbranche. Dabei wies die Referentin auf den extremen Fachkräftemangel hin. Ihre Lösungsvorschläge, um die junge Generation zu erreichen: Zugehen auf die junge Zielgruppe durch professionelle Social Media Präsenz über verschiedene Kanäle, ansprechende Website, plakative Image-Filme. Auf dies und mehr setze – so die Referentin – auch die übergreifend für das Metallhandwerk konzipierte Website von „Metallbau(t) Zukunft". Eine eindrucksvolle Initiative für das Recruiting von Nachwuchs.

Zum Abschluss der Veranstaltung gab es – moderiert von Markus Schultz – noch einen Ausflug in die digitale Projektplanung mit BIM. Dabei wies der 1. Vorsitzende des VFT auf verschiedene Fallstricke und Praxisprobleme der 3D-Modellierung hin. Sein Credo: „Prüfen Sie die digitale Planung mit kritischem Blick verlassen Sie sich nicht nur auf die Technik.“

Das nächste Seminar findet am 20. und 21. November 2025 in Wiesbaden-Niedernhausen statt.  Weitere Informationen: www.v-f-t.de

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